Nahezu jeder deutsche Haushalt hat eine Lebensversicherung, und das, obwohl die Renditeentwicklungen der meisten Lebensversicherungen in der Zwischenzeit weit hinter dem zurückbleiben, was einem bei Abschluss vorgerechnet worden ist. Schuld daran sind neben den hohen Abschlusskosten die schlechten Anlagerenditen, die viele Versicherungsgesellschaften in den letzten Jahren erwirtschaftet haben. Bisher gab es für unzufriedene Besitzer von Lebens- oder Rentenversicherungen nur die Möglichkeit zu kündigen, die Police zu verkaufen oder zu beleihen - meist mit hohen Verlusten.

Allerdings gibt es eine weitere Option: ein nachträglicher Widerruf des Versicherungsvertrages.

Grundsatzentscheidungen des BGH ….

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in mehreren Grundsatzentscheidungen in den Jahren 2014 und 2015 entschieden, dass auch ein nachträglicher Widerruf des Versicherungsvertrages möglich ist. Hintergrund: dem Verbraucher muss bei Vertragsschluss neben dem Versicherungsschein und den Versicherungsbedingungen auch eine schriftliche Belehrung über sein Recht zum Widerspruch zugeschickt worden sein. Diese Widerspruchsbelehrung besagt u.a., dass der Versicherungsnehmer den Vertrag bis 30 Tage nach Vertragsbeginn in schriftlicher Form widersprechen kann. Bei Verträgen, die vor dem 08.12.2004 abgeschlossen wurden, galt noch eine Frist von 14 Tagen.

Wer eine solche Widerspruchsbelehrung nicht erhalten hat oder bei wem diese Belehrung nicht korrekt formuliert ist, kann auch heute noch seinem alten Versicherungsvertrag widersprechen und erhält seine eingezahlten Beiträge wieder zurück !

Der BGH hat dies so entschieden, da im Gegensatz zu einer eher verbraucherunfreundlichen deutschen Regelung die europäische Richtlinie vorgeht und daher dem Verbraucher in solchen Fällen ein unbefristetes Widerspruchsrecht zusteht.

Was bedeutet eine korrekte Widerspruchsbelehrung ?

Es ist eher selten der Fall, dass der Versicherungsnehmer überhaupt keine Widerspruchsbelehrung erhalten hat. Den Erhalt muss im Übrigen die Versicherungsgesellschaft beweisen.

Wahrscheinlicher ist es, dass die Ihnen zugesandte Widerspruchsbelehrung nicht korrekt formuliert ist und u.a. folgende Fehler aufweist:

In der Widerspruchsbelehrung steht nicht, dass es ausreicht, wenn Sie Ihren Widerspruch innerhalb der 30-Tagesfrist absenden. Der Widerspruch muss nämlich nicht innerhalb dieser Frist beim Versicherer eingehen, sondern nur abgesendet werden.

Wenn der Versicherungsvertrag 2002 oder später abgeschlossen wurde, muss in der Widerspruchsbelehrung ausdrücklich auf die Textform, nicht auf die Schriftform des Widerspruchs hingewiesen sein. Dies bedeutet, dass seit 2002 auch eine E-Mail als Widerspruch ausreicht.

Die Widerspruchsbelehrung muss sich deutlich vom übrigen Text abheben und darf nicht ohne Hervorhebung in den Versicherungsbedingungen stehen.

Wenn Sie einen solchen Fehler in Ihrer Widerspruchsbelehrung finden, haben Sie gute Chancen, dass Ihr Vertrag rückabgewickelt werden kann.

Was erhalte ich nach Widerspruch zurück ?

Wenn Sie Ihrem Versicherungsvertrag erfolgreich widersprechen, erhalten Sie Ihre eingezahlten Beiträge wieder zurück.

Zusätzlich kann der Versicherungsnehmer verlangen, dass der Versicherer Ihnen auf diese Beiträge Zinsen zahlt.

Anzurechnen hat sich der Versicherungsnehmer nach BGH-Rechtsprechung lediglich den Versicherungsschutz, d.h. die so genannten Risikobeiträge werden abgezogen. Dies sind die Kosten, die dem Versicherer für den Versicherungsschutz entstanden sind, den der Versicherungsnehmer während der Laufzeit des Vertrages hatte.

Diese Rechtsprechung gilt auch für bereits aufgelöste Verträge ...

Nach dieser Rechtsprechung können auch Versicherungsverträge widersprochen werden, die bereits abgelöst wurden und in denen der Versicherungsnehmer einen (niedrigen) Rückkaufswert erhalten hat. Selbstverständlich muss der Rückkaufswert von der Forderung des Versicherungsnehmers dann abgezogen werden.

Wir raten an, Versicherungsverträge fachkundig prüfen zu lassen. Eine Nachprüfung kann sich, wie oben dargelegt, finanziell sehr lohnen. Sie sollten aber auf jeden Fall vor einem Widerspruch Ihren Vertrag prüfen lassen, da in Einzelfällen eine Auflösung des Vertrages nicht sinnvoll ist.

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt / Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht