Seit dem 01.01.2023 gilt das sogenannte Notvertretungsrecht für Ehegatten und Lebenspartner.

Seit dem 01.01.2023 gilt das sogenannte Notvertretungsrecht für Ehegatten und Lebenspartner. Was hat es damit auf sich? Muss ich bestehende Vollmachten oder Patientenverfügungen anpassen?

Ob Herzinfarkt, Schlaganfall oder Unfall: Wenn Kranke einer medizinischen Behandlung nicht mehr selbst zustimmen können, konnte das bislang auch nicht der Ehe- oder Lebenspartner. Einzige Ausnahme: es lag hierfür eine schriftliche Vollmacht vor.

Dies hat sich grundlegend zum 01.01.2023 geändert. Nunmehr gilt bei gesundheitlichen Fragen automatisch ein sogenanntes Not- oder auch Ehegattenvertretungsrecht.

Notvertretungsrecht – was bedeutet das in der Praxis?

Angenommen, eine Person kommt ins Krankenhaus, ist bewusstlos und somit nicht mehr ansprechbar. Damit sich der gesundheitliche Zustand nicht verschlimmert und der Patient die notwendigen Behandlungen erhalten kann, muss schnell gehandelt werden. Das (juristische) Problem dabei: Die verletzte Person selbst kann in eine bestimmte Behandlung nicht einwilligen.

Seit dem 01.01.2023 gilt nun ein geänderter § 1358 BGB. Danach haben Ehegatten und Lebenspartner für den Notfall ein gegenseitiges Vertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten sowie bei kurzfristig freiheitsentziehenden Maßnahmen (wie z.B. das Anbringen eines Bettgitters oder eines Baugurtes, auch eine Fixierung des Patienten oder Verabreichung ruhigstellender Medikamente).

Dieses Notvertretungsrecht ist auf 6 Monate begrenzt. Für diese Zeit ist der behandelnde Arzt oder die behandelnde Ärztin gegenüber dem Ehegatten oder Lebenspartner von der Schweigepflicht entbunden.

Damit das Notvertretungsrecht gilt, darf allerdings keine anderslautende Vorsorgevollmacht vorliegen. Dies gilt auch, wenn bereits ein Betreuer von Gericht bestellt worden ist – in diesem Fall geht die Betreuung vor.

Die Wünsche des Patienten oder der Patientin sind auch im Notvertretungsrecht entscheidend. Diese Wünsche können auch in einer Patientenverfügung niedergelegt sein oder später in einem Gespräch zwischen Arzt und Angehörigen oder Vertrauensperson des Patienten ermittelt werden.

Was ist mit dem Notvertretungsrecht nicht abgedeckt?

Der gesunde Ehegatte oder Lebenspartner kann keine finanziellen Angelegenheiten der erkrankten Person erledigen (z.B. mit dessen Geld bestimmte Rechnungen bezahlen bzw. Ansprüche gegenüber Behörden geltend machen). Er ist mit dem Notvertretungsrecht auch nicht berechtigt, Verträge des Erkrankten zu kündigen oder etwa dessen Auto zu verkaufen.
Der gesunde Ehegatte oder Lebenspartner kann allerdings für den Erkrankten Verträge abschließen, die innerhalb der 6 Monate etwa für medizinische Behandlungen oder für Reha - Maßnahmen notwendig sind.

Muss der Arzt prüfen, ob die Voraussetzungen für das Notvertretungsrecht vorliegen?

Grundsätzlich muss der Arzt oder die Ärztin den Ehegatten oder den Lebenspartner lediglich fragen, ob er oder sie berechtigt ist, das Notvertretungsrecht auszuüben. Zu beachten ist aber, dass eine Vorsorgevollmacht oder eine Patientenverfügung, die andere Personen als Bevollmächtigte bestimmt, dem Notvertretungsrecht vorgeht und die in der Vollmacht genannte Person den Erkrankten alleine vertritt.

Das Notvertretungsrecht greift ebenfalls nicht, wenn Ehegatten oder Lebenspartner getrennt leben. Möglich ist auch, dass die erkrankte Person einen Widerspruch gegen das Notvertretungsrecht eingelegt hat, der im Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) hinterlegt ist. Mit Widerspruch ist hier gemeint, dass die erkrankte Person gerade nicht will, dass der oder die andere Partner sie vertritt.

Warum sind Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung weiterhin sinnvoll?

Ganz einfach: Das Notvertretungsrecht ist nur auf Gesundheitsangelegenheiten beschränkt. Alle anderen Geschäfte wie etwa Bank- oder Versicherungsangelegenheiten sind durch das Notvertretungsrecht nicht abgedeckt.
Zudem ist das Notvertretungsrecht auf 6 Monate beschränkt. Sollte der erkrankte Partner nach dieser Zeit noch nicht in der Lage sein, selbst Entscheidungen zu treffen, muss ein Betreuer bestellt werden, sofern keine anderslautende Vollmacht vorliegt.

Wir raten jedem an, eine Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung anzufertigen bzw. bestehende Formulare darauf zu prüfen, ob die dort genannte bevollmächtigte Person tatsächlich noch das Vertrauen des Unterzeichnenden besitzt. Notfalls sollten auch Änderungen vorgenommen werden, wenn sich die Partner getrennt haben oder beabsichtigen, sich zu trennen.

Für eine erste Vorprüfung oder Beratung stehen wir Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Die Eintragung im Zentralen Vorsorgeregister (ZVR) übernehmen wir ebenfalls für Sie.

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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19.12.2022
Patrick Zagni
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