Kinderlose Paare: wenn die Verwandten plötzlich miterben

Ehepaare oder Lebenspartner ohne Kinder sollten dringend ein Testament machen. Stirbt ein Partner, kann es sonst heikel werden - denn dann ist Teilen mit der Verwandtschaft angesagt. Denn: gibt es kein (gemeinschaftliches) Testament, erben die Schwiegereltern (oder die übrige Verwandtschaft des Verstorbenen) mit, sollte einer der Partner sterben.

Doch nur selten haben frisch verheiratete Paare nach der Eheschließung schon das gemeinsame Testament auf ihrer Prioritätenliste. Die Partner gehen oft davon aus, dass der andere allein erbt, wenn einer von ihnen stirbt. Zumindest, solange kein Kind da ist. Ein fataler Irrglaube, der sich hartnäckig hält.

Ohne Testament erben die Verwandten mit ...

Gibt es kein Testament, in dem sich das Ehepaar oder die eingetragenen Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, greift die gesetzliche Erbfolge. Und die besagt: Ist das Paar im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet oder verpartnert und hat es keinen Nachwuchs, dann erbt der länger Lebende nur zu drei Viertel (§§ 1931, 1371 BGB). Je ein Achtel geht an die Eltern des Verstorbenen als sog. "Erben 2. Ordnung". Sofern diese die Erbschaft nicht ausschlagen, indem sie innerhalb von sechs Wochen zum Notar gehen, sind sie automatisch Erben. Leben die Eltern des verstorbenen Partners nicht mehr, erben Geschwister, Halbgeschwister respektive die Großeltern.

Ungewollte Folgen ....

.... die eigentlich keiner wollte ! Beispiel: Ein junges Paar heiratet, kurz darauf verunglückt der Ehemann tödlich. Die kinderlose Witwe hat plötzlich die Schwiegereltern als Miterben. Und weil diese auf ihrem Erbteil bestehen, muss sie die neu erworbene Wohnung, die Uhrensammlung und den Oldtimer des Verstorbenen verkaufen und sie ausbezahlen.

Anderes Beispiel: Ein Ehepaar bleibt mehr als 30 Jahre lang kinderlos. Der Mann stirbt, seine Eltern sind bereits tot. Aber er hat noch zwei Brüder. Sie werden zu Miterben und verlangen ihren Anteil. Die 60-jährige Witwe muss ihr Zuhause verkaufen, um sie auszubezahlen.

Was muss geteilt werden ?

Kinderlose Ehepaare oder Lebenspartner, ob jung oder alt, sollten aus den o.a. Gründen dringend ein Testament machen, am besten bereits nach der Heirat. Denn so gut wie alles, was der Verstorbene hatte, muss anteilig aufgeteilt werden. Zwar bleiben wenigstens die zum ehelichen Hausstand gehörenden Sachen wie Mobiliar, Teppiche oder das Porzellan außen vor.

Geht es um persönlichen Besitz wie ein Auto, die Hi-Fi-Anlage, Musikinstrumente, Erinnerungsfotos, Armbanduhren oder Schmuck, gilt dagegen: Die Schwiegereltern haben zusammen Anspruch auf ein Viertel. Kann die junge Frau nicht beweisen, dass die teure Kette von Cartier ein Geschenk war, muss sie teilen.

Gibt es Vermögen auf Konten oder Depots, muss die Witwe dies eben falls teilen. War der Verstorbene der Hauptverdiener, ist Streit meist unausweichlich. Kam das Vermögen vor allem von Seiten ihres Kindes, haben manche Eltern das Bedürfnis, möglichst viel zurückzuholen. Ebenfalls problematisch: Bewohnte das Paar eine gemeinsam erworbene Immobilie, können die Schwiegereltern, der Schwager oder die Schwägerin Miete von der Witwe verlangen. Oder sie wollen ausbezahlt werden - dann muss die Witwe verkaufen, wenn sie das Geld nicht hat. Kann sich die Erbengemeinschaft nicht einigen, kommt es zur Zwangsversteigerung.

Lediglich die Hochzeitsgeschenke darf die Witwe oder der Witwer für sich behalten. Aber auch das ist schwer nachzuweisen. War das Paar in Gütertrennung verheiratet, sieht es für den verwitweten Partner noch schlechter aus: er erbt dann sogar nur die Hälfte, der Rest geht an die Verwandtschaft.

Was ist dagegen zu tun ?

Gemeinsam ein Testament aufsetzen, in dem sich kinderlose Eheleute gegenseitig als Alleinerben einsetzen. Die gesetzliche Erbfolge ist damit weitgehend ausgehebelt. Eine "schwierige" Erbengemeinschaft kann nicht entstehen. In jungen Jahren, wenn ein Paar noch nicht viel Vermögen hat, reichen in der Regel ein paar handgeschriebene Zeilen, dass der länger Lebende alles erben soll. Je mehr Vermögen da ist, desto ratsamer ist es, einen Fachanwalt zu Rate zu ziehen. Wichtig: Vorsorglich im Testament verfügen, dass die noch ungeborenen gemeinsamen Kinder die Schlusserben werden. Bringt der Partner Stiefkinder mit in die Ehe, ist Vorsorge ebenfalls ratsam. Sollen die "angeheirateten" Kinder erben, muss dies im Testament explizit festgeschrieben sein.

An den Pflichtteil denken ...

Gerade weil ein kinderloses Paar mit seinem Testament die Eltern enterbt, steht diesen im Todesfall ein Pflichtteil zu. Diese Folge kann nicht verhindert werden. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Wer das umgehen möchte, kann Vater, Mutter oder Geschwistern testamentarisch Gegenstände vermachen, zum Beispiel den Jugendstilsekretär oder Schmuck. Damit sind viele zufrieden gestellt. Alternativ müssen diese Personen auf ihren Pflichtteilsanspruch verzichten.

Vorsicht bei Auslandsvermögen oder Auslandsaufenthalt

Ein Muss ist das gemeinsame Testament für kinderlose Eheleute, die im Ausland leben. Stirbt ein Partner außerhalb Deutschlands, ist seit 2015 für den Nachlass in den meisten Ländern der EU die Rechtsordnung vor Ort zuständig - also das Erbrecht des Landes, in dem sich der Verstorbene zum Zeitpunkt seines Todes ständig aufhielt. "Wer beruflich für zwei Jahre nach Singapur geht, nach Österreich zieht oder auf Mallorca überwintert, sollte auch ans dortige Erbrecht denken", erläutert Rechtsanwalt Zagni. Es kann für den Witwer oder die Witwe noch ungünstiger ausfallen als in Deutschland.

Wer Nachteile vermeiden will, muss im Testament ausdrücklich festschreiben, dass das deutsche Erbrecht gelten soll.


Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht

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05.11.2019
Patrick Zagni
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