Europäischer Gerichtshof entscheidet über Widerrufsbelehrung

Europäischer Gerichtshof entscheidet über Widerrufsbelehrung

Das 1,2-Billionen Euro-Problem der Kreditinstitute: der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss über eine Widerrufsbelehrung in einem Verbraucherdarlehensvertrag aus Deutschland entscheiden ...

Betroffen sind fast sämtliche Baufinanzierungen, die nach dem 14.06.2010 abgeschlossen worden sind. Die Entscheidung könnte eine Lawine auslösen.

Zahlreiche Banken und Bankenvertreter haben den so genannten "Widerrufsjoker" bereits für tot erklärt. Mit einem Widerruf können Verbraucher ihre Immobilienfinanzierung aufgrund von Formfehlern widerrufen und aus teuren Krediten vorzeitig und kostengünstig aussteigen. Dies hat in der Vergangenheit zahlreichen Verbrauchern etliche EUR 1.000,00 erspart und die Banken viel Geld gekostet.

Das Landgericht Saarbrücken (AZ: 1 O 164/18) hat nunmehr ein laufendes Verfahren dem EuGH vorgelegt. Die Richter des LG Saarbrücken haben nämlich beschlossen, eine wichtige Frage rund um das Widerrufsrecht an den EuGH in Luxemburg zu verweisen. Dabei geht es um eine Standardwiderrufsbelehrung, die sich in so gut wie sämtlichen aktuellen Darlehensverträgen findet.

Diese lautet so:

„Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angaben zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“

Diese Belehrung wurde in Immobiliendarlehensverträgen, die nach dem 14.06.2010 mit Verbrauchern abgeschlossen worden sind, verwendet. Die Bundesbank beziffert das ausstehende Volumen dieser Baufinanzierungen auf rd. EUR 1,2 Billionen. Damit bekommt die anstehende Entscheidung natürlich eine völlig neue Brisanz, sofern der EuGH zugunsten der deutschen Verbraucher entscheiden sollte. Ein Großteil dieser Kredite könnten dann heute noch widerrufen werden, Grund zur Nervosität bei den Kreditinstituten besteht demnach zu Recht.

EuGH gilt bislang als verbraucherfreundlich ...
                                                                                                 

Die entscheidende Rechtsfrage lautet hierbei, ob der durchschnittliche Verbraucher anhand des oben genannten Textes der Widerrufsbelehrung erkennen kann, wann in seinem konkreten Fall die Widerrufsfrist eines Darlehens beginnt und wann sie endet. Ist der Text der Widerrufsbelehrung also so klar und so verständlich, wie es das Gesetz fordert ?

Zuerst klingt der Text der Widerrufsbelehrung als nicht sonderlich schwierig, kompliziert wird es jedoch, wenn der Kunde versucht, herauszufinden, um welche Pflichtangaben es sich denn im Einzelnen handeln soll. Nur drei davon sind in der Muster-Widerrufsbelehrung beispielhaft genannt, die restlichen Pflichtangaben sind allerdings nicht im BGB aufgezählt. Vielmehr verweist dieser auf Art. 247 §§ 6-13 EGBGB, wo wiederum auf Regelungen des BGB verwiesen wird.

Selbst Juristen, die sich seit Jahren mit dieser Materie beschäftigen, konnten und können nicht sagen, welche Pflichtangaben angegeben werden müssen und somit auch nicht wann die Widerrufsfrist begonnen hat zu laufen.

Der Kunde wird also auf eine regelrechte Suche geschickt, wenn er die Eckdaten seines Widerrufsrechts verstehen will. Er muss diverse Gesetzesbücher lesen und verstehen. Zahlreiche Experten sprechen von einem so genannten „Kaskadenverweis“, der einem durchschnittlichen Verbraucher nicht zuzumuten sei. Sofern der EuGH dies auch so sieht, haben die Banken dann ein massives Problem.

Die Entscheidung des EuGH wird vermutlich noch einige Zeit auf sich warten lassen. Falls sie jedoch zugunsten der Verbraucher ausgeht, könnte enorme Folgen für die Kreditinstitute haben.

Was machen die Banken ?

Spannend wird es sein zu sehen, wie sich die Banken bis dahin verhalten. Denn bereits heute weisen Anwälte regelmäßig auf den problematischen Kaskadenverweis hin – bisher zumeist vor Gericht erfolglos. Doch vor dem Hintergrund des drohenden EuGH-Urteils können nach Einschätzung vieler Experten zahlreiche Kreditinstitute wie die Deutsche Bank AG, die DSL Bank, ING oder sämtliche Sparkassen und Volksbanken ihre bisherige Blockadehaltung aufgeben und Kompromissangebote unterbreiten. Diese könnten so aussehen, dass Verbraucher trotz laufender Zinsbindung vorzeitig auf günstigere Zinsen umschulden oder aus ihrem Darlehen entlassen werden können.

Genau so können Verbraucher, die bereits für die vorzeitige Beendigung eines Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung bezahlt haben, diese zurückfordern.

Betroffene Verbraucher sollten daher ihren Kreditvertrag von einem spezialisierten Anwalt prüfen lassen. Auf keinen Fall sollten Verbraucher ohne vorherige fachkundige Prüfung ihres Vertrages ein ungünstiges Vergleichsangebot ihrer Bank annehmen.

Für eine erste Vorprüfung Ihrer etwaigen Ansprüche stehen wir selbstverständlich zur Verfügung.

 

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt / Fachanwalt für
Bank- und Kapitalmarktrecht

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25.02.2019
Patrick Zagni
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