Die Erbengemeinschaft: alle Erben an einen Tisch – Fluch und Segen !

Die Erbengemeinschaft: alle Erben an einen Tisch – Fluch und Segen !

Was ist eine Erbengemeinschaft ? Welche Rechte und Pflichten haben die Miter-ben ? Wie kann Streit vermieden werden ?

Verstirbt ein Erblasser, so hinterlässt er sein gesamtes Hab und Gut seinen Erben bzw. den testamentarisch bestimmten Begünstigten. Unerheblich ist dabei, ob nun gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge (bei Testament oder Erbvertrag) Geltung haben: sind mehrere (Mit-) Er-ben vorhanden, so treten diese in eine so genannte ungeteilte Erbengemeinschaft ein.

Was bedeutet Erbengemeinschaft ?

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist die Erbengemeinschaft geregelt in den §§ 2032 ff. BGB. Die Erbengemeinschaft ist eine Gesamtheit sämtlicher hinterlassener Erben, die einan-der als Miterben gegenüberstehen, also etwa bei Vorhandensein mehrerer Geschwister oder bei Bestimmung mehrerer in einem Testament bedachter Erben. In einer Erbengemeinschaft stehen oftmals auch Geschwister neben den Ehegatten des Verstorbenen als Miterben.

Nach § 2032 Abs. 1 BGB geht das gesamte Vermögen des Erblassers in das gemeinsame Vermögen der Erbengemeinschaft über, bis die Auseinandersetzung über den Nachlass ab-geschlossen und die Erbmasse verteilt ist.

Die Erbengemeinschaft bildet eine so genannte Gesamthandgemeinschaft, d.h. es handelt sich um eine Gemeinschaft von Personen, denen ein Vermögen gemeinschaftlich zusteht. Gemeinschaftlich bedeutet, dass alles allen gemeinsam gehört, kein (einzelner) Nachlassge-genstand gehört nur einem Miterben allein. Lediglich die Gemeinschaft kann den gesamten Nachlass oder Gegenstände hieraus verkaufen oder darüber verfügen.

Der einzelne Miterbe darf jedoch über den ihm zustehenden Erbteil verfügen, was auch gleichzeitig eine Beschränkung seines Erbrechts darstellt. Beispiel: jeder Miterbe kann seinen Erbteil an Dritte verkaufen, aber niemals den gesamten Nachlass ! Hierbei ist aber auch zu beachten, dass der Erbengemeinschaft ein Vorkaufsrecht zusteht, mithin also der verkaufen-de Miterbe nicht absolut frei entscheiden kann, wem er seinen Anteil übertragen möchte.


Nutzung und Nachlassverwaltung

Liegt keine spezielle Nutzungsvereinbarung vor, die eindeutig bestimmt, wem innerhalb der Erbengemeinschaft die Nutzung eines Nachlassgegenstandes zusteht, kann jeder Miterbe einen Anspruch auf Nutzung erheben. Dies betrifft beispielsweise Immobilien oder Fahrzeuge, die zur Erbmasse gehören.

Wohnt in einem zum Nachlass zählenden Haus ein Mitglied der Erbengemeinschaft, muss dieser im Rahmen einer Vereinbarung auch den Miterben auf Verlangen die Nutzung gewäh-ren. Weigert er sich jedoch standhaft, ein solches Nutzungsrecht auszusprechen, dürfen die übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft einen Nutzungsersatz verlangen, hier meist in Form von finanziellen Gegenleistungen.

Die Erbengemeinschaft ist auch für den gesamten Zeitraum ihres Bestehens nur gemeinsam für die Verwaltung des Nachlasses zuständig. Zur Vereinfachung können sie gegebenenfalls auch einen Nachlassverwalter einsetzen, bei dem am Ende alle Stränge zusammenlaufen.

Sinnvoll ist es auch, dass der Erblasser für diesen Fall in seinem Testament einen Testa-mentsvollstrecker einsetzt, der die Durchsetzung und Ausführung des Erblasserwillens überwacht.

Ansonsten bedarf es grundsätzlich für sämtliche Rechtsgeschäfte, die den Nachlass betref-fen, der Zustimmung sämtlicher Miterben. Ein Streit zwischen den Miterben scheint vorprogrammiert.

Ein Streit zwischen den Miterben scheint vorprogrammiert.


Wie vermeidet der Erblasser Streit unter den Miterben ?

Die beste Möglichkeit, um Streit zu vermeiden, ist eine klare Regelung durch den Erblasser, was nach seinem Tod geschehen soll. In der Regel erfolgt dies in seinem Testament. Hier regelt der Erblasser einseitig, wer welche Rechte und Vermögenspositionen übernimmt und was er gegebenenfalls dafür zu tun hat. Hierfür stehen die Erbeinsetzung, das Vermächtnis oder die Auflage zur Verfügung.

Zudem kann der Erblasser durch Einsetzung eines Testamentsvollstreckers sicherstellen, dass seine letztwilligen Verfügungen auch eingehalten werden. Auch Regelungen hinsichtlich des möglichen Ausgleichs zwischen den Miterben (Vorausvermächtnis, Teilungsanordnung u.ä.) führt dazu, dass kein unnötiger Streit ausbricht.


Haftung der Miterben und Klagen gegen die Erbengemeinschaft

Die Haftung des einzelnen Miterben richtet sich grundsätzlich nach den Allgemeinen Vor-schriften, wie sie auch als Alleinerben am Nachlass haften würden. Ist der Nachlass über-schuldet, ist es ratsam, die Erbschaft auszuschlagen (innerhalb von sechs Wochen nach Kenntnis von der Erbschaft).

Daneben kann der Erbe auch die so genannte „Dreimonatseinrede“ erheben (§ 2014 BGB). Diese Frist dient den Erben dazu, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen und insbesondere zu prüfen, ob die private Haftung weiter eingeschränkt werden muss.

Solange der Nachlass insgesamt noch nicht geteilt worden ist, kann jeder Erbe seine Haftung lediglich auf seinen Nachlassanteil beschränken (sog. „Einrede des ungeteilten Nachlasses“). Hierbei ist wichtig, dass auf das übrige Privatvermögen des Erben nicht zugegriffen werden kann.

Hat ein Gläubiger noch offene Forderungen gegenüber dem Erblasser, mit dem dieser mit seinem Nachlass haftete, und weigert sich die Erbengemeinschaft, diesen Verpflichtungen nachzukommen, ist auch eine Klage möglich. Dabei darf sich die Klage gegen jedes einzelne Mitglied einer Erbengemeinschaft richten.

Aber: eine Erbengemeinschaft ist nicht rechtsfähig. Dies bedeutet, dass eine Forderung ge-gen ein Mitglied einer Erbengemeinschaft stets nur gegenüber diesem, nicht aber gegenüber der Erbengemeinschaft im Ganzen geltend gemacht werden kann. Bei Verträgen, die ein Miterbe alleine abschließt, können somit nicht automatisch die anderen Erben in Haftung ge-nommen werden.

 

Wer erhält den Erbschein bei bestehender Erbengemeinschaft ?

Grundsätzlich können Erben gegenüber Banken, Grundbuchbehörden, Versicherungen etc. nur dann Verfügungen durchführen, wenn sie in Besitz eines Erbscheins sind. Zwingend vor-geschrieben ist die Vorlage eines Erbscheins beispielsweise bei Änderungen des Grundbuchs oder des Handelsregisters.

Bei einer Erbengemeinschaft kommen grundsätzlich folgende Arten des Erbscheins in Frage:

- der gemeinschaftliche Erbschein von Miterben: dieser wird grundsätzlich nur auf Antrag bei dem zuständigen Nachlassgericht erteilt und enthält neben den allgemeinen Angaben zum Erbfall auch die Namen der Mitglieder der Erbengemeinschaft und deren Erbanteile in Quoten

- der Teilerbschein für einzelne Miterben: dieser kann jeder der Miterben beantragen. Die Verfügungsgewalt beschränkt sich jedoch nur auf dem ihm zustehenden Erbteil (Erbquote).

Ein Erbschein ist grundsätzlich nicht notwendig, wenn ein Mitglied der Erbengemeinschaft vom Erblasser im Testament für die zu erledigenden Rechtsgeschäfte bevollmächtigt worden ist.


Wann endet die Erbengemeinschaft ?

Die Erbengemeinschaft endet grundsätzlich erst dann, wenn die Erbauseinandersetzung voll-ständig abgeschlossen worden ist. Als Auseinandersetzung über das Erbe bezeichnet man die gemeinschaftliche Einigung über die Verteilung des Nachlasses.

Die Erbengemeinschaft muss sich allerdings nicht entschließen, die Erbauseinandersetzung durchzuführen. Demgegenüber können sie stattdessen auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) gründen und in dieser Form das Erbe fortführen. Dies kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn etwa die gesamte Erbengemeinschaft als Unternehmensnachfolger auf-treten will.

Sollte keine Einigung über die Auseinandersetzung erzielt werden, muss die Gemeinschaft nicht ewig bestehen. Jeder Miterbe hat das Recht auf eine formelle Teilung des Nachlasses, beispielsweise in Form einer Teilungsversteigerung von Immobilien. Sonstige Gegenstände aus dem Nachlass können auch auf gerichtliche Anordnung durch ein Pfand freihändig ver-kauft werden. Das eingenommene Geld wird dann - nach Abzug von Verbindlichkeiten - an die Erben entsprechend ihrer Quote verteilt.

Eine weitere Möglichkeit, schnell einen Schlussstrich zu ziehen, ist die so genannte „Ab-schichtung“. Wer aus einer Erbengemeinschaft ausscheiden will, kann seine Ansprüche an die anderen Erben verkaufen. Dies kann zwar grundsätzlich formfrei, aber nur im gegenseiti-gen Einvernehmen, also mit Zustimmung sämtlicher Miterben, geschehen.

 

Wir helfen Ihnen sehr gerne bei eventuellen Problemen zwischen den Miterben. Wir stehen aber auch für Rat und Tat für potentielle Erblasser zur Verfügung, die Streit innerhalb der Erbengemeinschaft vermeiden wollen. Nicht umsonst titelte die FAZ: „Erbengemeinschaften sind der Vorhof zur Hölle“.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.erbschaft-regeln.de.

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht

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29.10.2020
Patrick Zagni
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