Der Pflichtteil - Einschränkungen des Erbrechts des Erblassers

Was Erblasser über den Pflichtteil wissen müssen, wenn sie ihren letzten Willen niederschreiben (Näheres unter www.erbschaft-regeln.de).

Noch immer schreiben die wenigsten Bundesbürger ihren letzten Willen nieder. In diesen Fällen greift die gesetzliche Erbfolge. Sollte aber der letzte Wille in Form eines Testaments oder Erbvertrages niedergelegt sein, muss der Erblasser auch bedenken, dass er nicht gänzlich gewisse Personen am Nachlass ausschließen kann, da in bestimmten Konstellationen der gesetzliche Pflichtteilsanspruch entsteht.


Wer bekommt den Pflichtteil ?


Einen Pflichtteilsanspruch haben grundsätzlich nur der (überlebende) Ehegatte, die Kinder und die Eltern des Erblassers, wenn sie durch eine Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind, also im klassischen Fall der Enterbung (wenn Sie also im Testament oder Erbvertrag nicht als Erbe eingesetzt sind, § 2303 BGB). Der gleichgeschlechtliche Lebenspartner ist dem Ehegatten gleich gestellt.

Ein Pflichtteilsanspruch kann aber auch dann entstehen, wenn ein bedachter Erbe die Erbschaft ausschlägt, was bei belasteten Erbteilen auch sinnvoll ist (vgl. § 2306 BGB).


Wichtig: Pflichtteilsansprüche hat nicht nur, wer vollständig enterbt worden ist, sondern auch derjenige, dem durch Testament weniger als sein Pflichtteil zugewendet wird (sog. "Zusatzpflichtteil" nach § 2305 BGB).


Der Pflichtteil sichert somit nahen Familienangehörigen des Erblassers eine Mindestbeteiligung am Nachlass. Eine Entziehung des Pflichtteils ist nur in sehr seltenen Extremfällen möglich.


Wie hoch ist der Pflichtteilsanspruch ?


Die Höhe des Pflichtteilsanspruchs orientiert sich an der gesetzlichen Erbquote. Denn der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Es ist also zunächst der (fiktive) Erbteil zu bestimmen: was würde der Betroffene erben, wenn es kein Testament geben würde ?


Bei der Ermittlung des Erbteils sind dabei sämtliche potentiellen gesetzlichen Erben mit zu berücksichtigen, auch wenn sie für erbunwürdig erklärt wurden oder das Erbe ausgeschlagen haben sollten.


Was passiert, wenn der Pflichtteil verlangt wird ?


Der Pflichtteilsberechtigte wird nicht Erbe, also auch nicht Teil einer Erbengemeinschaft. Er hat am Nachlass keinerlei Eigentums- oder Besitzrechte. Das Gesetz räumt ihm allerdings Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche ein (vgl. § 2314 BGB).


Der Pflichtteil ist ein reiner Zahlungsanspruch, d.h. der Berechtigte kann von den Erben nur die Auszahlung in Geld verlangen. Ein Anspruch auf bestimmte Gegenstände aus dem Nachlass (z.B. ein Grundstück) besteht nicht.


Wann verjährt der Pflichtteilsanspruch ?


Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb von drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Pflichtteilsberechtigte vom Tod des Erblassers erfahren hat und er wusste, dass er enterbt worden ist.


Pflichtteilsergänzungsansprüche bei Schenkungen des Erblassers


So genannte Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen, wenn der Erblasser noch zu Lebzeiten Schenkungen vorgenommen hat und sich dadurch die Quote reduziert (§ 2325 BGB). Durch diese gesetzliche Bestimmung sollen die nächsten Angehörigen davor geschützt werden, dass der Erblasser noch zu Lebzeiten sein gesamtes Vermögen weggibt und damit seine Angehörigen um eine angemessene Beteiligung am Nachlass bringt.


Der Wert dieser Schenkung ist im Nachlass, allerdings degressiv abfallend, im Rahmen der Berechnung des Pflichtteils hinzuzurechnen. Sind beispielsweise zehn Jahre seit der Schenkung verstrichen, bleibt der Wert dieser Schenkung unberücksichtigt. Eine Besonderheit besteht nur bei Schenkungen an den Ehegatten: die erwähnte Zehnjahresfrist beginnt bei Schenkungen an Ehepartner nämlich erst mit der Auflösung der Ehe zu laufen !


Schließt das Berliner Testament den Pflichtteil aus ?


Ganz klare Antwort: nein ! Beim so genannten Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zum Erben ein und die Kinder kommen erst dann zum Zug, wenn beide Eltern verstorben sind. Dies bedeutet nichts anderes, als das beim Tod des erstversterbenden Ehegatten die Kinder enterbt sind und nach den gesetzlichen Regeln den Pflichtteil einfordern könn(t)en.


Besonders schwierig ist eine solche Lage für den überlebenden Ehegatten, wenn der Nachlass, wie häufig, im Wesentlichen aus dem Familienheim besteht und er keine freien Barmittel zur Verfügung hat, mit denen er die Kinder auszahlen kann. Hiergegen können die Ehegatten nur geschützt werden, wenn die Kinder zuvor einen Pflichtteilsverzicht erklärt und notariell beurkundet haben.


Wie können Pflichtteilsansprüche vermieden werden ?


Wie dargelegt, können sich Eltern und Kinder darauf einigen, dass die Kinder einen Pflichtteilsverzicht unterschreiben. Im Gegenzug gewähren die Eltern oft eine Abfindung. Für den Verzichtenden hat dies den Vorteil, dass er sofort einen Anteil am elterlichen Vermögen erhält.


Sind die Kinder nicht bereit, auf ihren Pflichtteil zu verzichten, kann ebenfalls vertraglich vorgesehen werden. Hierbei helfen im Testament oder Erbvertrag so genannte „Strafklauseln“: das Kind, das gegen den Willen des überlebenden Elternteil den Pflichtteil verlangt, wird beim Tod des Längerlebenden „bestraft“ und es erben nur die Kinder, die den Pflichtteil nicht gefordert haben.


Eine weitere Möglichkeit kann darin bestehen, bereits zu Lebzeiten Teile seines Vermögens wegzugeben in Form von vorweggenommenen Erbanteilen oder Schenkungen. Diese sollen dann im Testament auch benannt werden, um im Erbfall die genaue Erb- oder Pflichtteilsquote berechnen zu können.


Eine fachkundige anwaltliche Beratung ist demnach sicher sinnvoll, um die Erbschaft auch wie gewollt an die Bedachten weiter geben zu können.


Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bank- und Kapitalmarktrecht

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31.01.2020
Patrick Zagni
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