Der Erbvertrag – sinnvolle Alternative zum (gemeinschaftlichen) Testament ?

Im Testament lässt sich vieles regeln, in bestimmten Fällen ist aber ein Erbvertrag die bessere Lösung. Was beide Dokumente unterscheidet und welche Vor- und Nachteile der Erbvertrag bietet ...

Der Erbvertrag ist neben dem (gemeinschaftlichen) Testament die zweite Möglichkeit, durch Verfügung von Todes wegen Regelungen über den Verbleib des eigenen oder des gemeinschaftlichen Vermögens nach dem Tod zu treffen und von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen.

Im Gegensatz zum Testament, in dem der Erblasser nur selbst beteiligt ist, stellt ein Erbvertrag einen Vertragsschluss mit einer anderen Person dar. Bei einem Erbvertrag müssen demnach beide Parteien zustimmen: derjenige, der gibt, und derjenige, der etwas bekommt, dafür aber möglicherweise eine Gegenleistung erbringen muss.

 

Was ist ein Erbvertrag ?

Bei einem Erbvertrag handelt es sich um eine in Vertragsform errichtete Verfügung von Todes wegen, die mit Bindungswirkung ausgestattet ist. Gesetzlich geregelt ist der Erbvertrag in § 1941 sowie den §§ 2274 ff. BGB. Danach kann der Erblasser durch Vertrag Erben einsetzen sowie Vermächtnisse und Auflagen anordnen. Als Erbe oder Vermächtnisnehmer können sowohl der Vertragspartner als auch andere Personen eingesetzt werden.

Der Erbvertrag kann zudem auch mit anderen, nicht erbrechtlichen Geschäften (etwa Grundstücks- oder Unternehmensübertragungen) oder mit einem Ehevertrag verbunden werden.

Wenn also z.B. ein Unternehmen vom Vater auf den Sohn übergehen soll und der Sohn sich im Gegenzug verpflichtet, in der Firma zu arbeiten, kann der Erbvertrag eine sinnvolle Lösung darstellen.

 

Bindungswirkung und eingeschränkter Widerruf

Anders als ein Testament ist der Erbvertrag grundsätzlich nicht widerruflich. Sowohl der Erblasser als auch die Vertragspartei des Erbvertrages sind nach Vertragsabschluss an diesen gebunden. Der Erblasser kann nicht mehr abweichend testieren, er ist in seiner Testierfreiheit  beschränkt.

Ein Rücktritt vom Erbvertrag ist (anders als der Widerruf eines Testaments) nur dann möglich, wenn die Vertragsparteien sich dies bei Vertragsschluss vorbehalten. Nur mit entsprechenden Ausstiegs- oder Änderungsklauseln im Erbvertrag kann der Erblasser der Bindung entfliehen. Gemeinsam können die Vertragsparteien die Vereinbarung selbstverständlich jederzeit wieder aufheben. Unter gewissen Voraussetzungen ist auch eine „Anfechtung“ des Erbvertrages möglich.

Dagegen bleibt der Erblasser bei Verfügungen unter Lebenden grundsätzlich frei. Er kann mit seinem Vermögen somit zu Lebzeiten tun und lassen, was er will !

Da die im Erbvertrag bedachte Person lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf das Erbe hat, kann unter Umständen der Vertragserbe erst nach dem Tod des Erblassers vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks verlangen, wenn die Schenkung in der Absicht gemacht worden ist, dem Vertragserben Vermögenswerte zu entziehen.

 

Wann macht ein Erbvertrag Sinn ?

Ein Erbvertrag ist vor allem in den nachfolgenden Konstellationen sinnvoll:

1. Paare ohne Trauschein: Ehegattentestamente wie das Berliner Testament sind nach geltendem Erbrecht Ehepaaren oder Lebenspartnerschaften vorbehalten. Wollen unverheiratete Paare sich gegenseitig mit Bindungswirkung als Erben einsetzen oder andere so genannte wechselbezügliche Verfügungen vornehmen, bleibt ihnen nur das Instrument des Erbvertrages.

2. Gegenleistung für die Erbeinsetzung: Gelegentlich dient die Erbeinsetzung als Gegenleistung für eine zu Lebzeiten des Erblassers erbrachte Leistung. In diesen Fällen ist die Bindungswirkung des Erbvertrags sinnvoll. Zahlt z.B. jemand einen Geldbetrag dafür, dass der Erblasser ihm im Todesfall seine Immobilie vermacht, verschafft ihm nur der Erbvertrag die Sicherheit, dass der Erblasser seine letztwillige Verfügung nicht doch noch ändert.

3. Pflichtteilsverzicht im Erbvertrag: Das Pflichtteilsrecht schränkt den Erblasser faktisch in seiner Testierfreiheit ein. Ein Pflichtteilsanspruch entsteht, wenn nahe Angehörige (Abkömmlinge, Eltern oder der Ehegatte des Erblassers) durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden sind, mithin also nicht als Erbe bestimmt wurden !

In bestimmten Konstellationen, z.B. bei der Unternehmensnachfolge, sind daher Pflichtteilsverzichte ein sinnvolles Instrument, um den Übergang wesentlicher Nachlassgüter auf einen einzelnen Erben oder Vermächtnisnehmer ohne entsprechenden und unter Umständen existenzgefährdeten Liquiditätsabfluss aufgrund von Pflichtteilsforderungen zu gewährleisten. Dabei kann im Rahmen eines Erbvertrages dem Verzichtenden neben einer lebzeitigen Abfindung auch ergänzend eine weitere Teilhabe am Nachlass eingeräumt werden.

 

Strenge Formvorschriften für den Erbvertrag

Anders als ein Testament, das auch handschriftlich errichtet werden kann, bedarf ein Erbvertrag für seine Wirksamkeit stets der Beurkundung durch einen Notar. Die Formvorschriften des BGB sehen darüber hinaus vor, dass beide Vertragsparteien beim Abschluss gleichzeitig anwesend sein müssen. Zudem muss der Erblasser persönlich den Erbvertrag schließen, eine Stellenvertretung ist also nicht zulässig.

 

Alternative mit Schwächen: das gemeinschaftliche Testament

Sind die beteiligten Personen verheiratet oder leben in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, kommt grundsätzlich auch ein sog. gemeinschaftliches Testament in Frage. Auch wenn es sich bei einem solchen gemeinschaftlichen Testament nicht um einen Vertrag handelt, kann es eine Bindungswirkung entfalten. Dies betrifft sog. wechselbezügliche Verfügungen wie z.B. die gegenseitige Einsetzung zum Alleinerben mit Schlusserbeneinsetzung der gemeinsamen Kinder im klassischen Berliner Testament.

Verstirbt der erste Ehegatte und enthält das Testament keine Öffnungsklausel, so kann der überlebende Ehegatte an der im gemeinschaftlichen Testament verfügten Schlusserbeneinsetzung nichts mehr ändern, er kann insbesondere kein wirksames geändertes Änderungstestament aufsetzen.

Auch in Bezug auf die Verfügung über Gegenstände des Nachlasses zu Lebzeiten (wie z.B. Schenkungen) tritt eine Bindung ein. Verschenkt beispielsweise der überlebende Ehegatte ein Grundstück an einen der Schlusserben, so können die anderen, nicht bedachten Schlusserben die Schenkung anfechten und Herausgabe des Grundstücks verlangen.

Bei diesem Ehegattentestament ist der Widerruf nur unter strengen Formalien möglich und nach dem Tod des Erstversterbenden (hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung) ganz ausgeschlossen.

 

Fazit und Empfehlung

Der Erbvertrag ist für viele Lebenssachverhalte eine sinnvolle Alternative zum Testament. Bei der Unternehmensnachfolge oder bei nicht verheirateten Paaren ist er ein wesentliches Gestaltungsinstrument. Sein großer Vorteil, die Bindungswirkung, kann sich aber unter Umständen auch als größter Nachteil erweisen, da er die Testierfreiheit faktisch einschränkt und der Erblasser auf Veränderungen nicht mehr autonom reagieren kann.

Positiv ist im Gegenzug, daß Rechtsstreitigkeiten weitgehend vermieden werden (können).

Ein Erbvertrag sollte daher gut überlegt sein und Rücktrittsrechte für bestimmte Fälle vertraglich mit aufgenommen werden (www.erbschaft-regeln.de).

 

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Bank- und Kapitalmarktrecht

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17.04.2020
Patrick Zagni
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