Der Erbschein - Notwendigkeit, Antrag, Kosten, Streit um das Erbe


Was ist ein Erbschein und wann wird er benötigt ? Wo kann ich ihn erhalten und was kostet er ?

Mit dem Tod einer Person (Erbfall) geht deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. So die Legaldefinition in § 1922 Abs. 1 BGB.

Allerdings ist damit für den Rechtsverkehr noch nicht dokumentiert, wer Erbe geworden ist. Beim Tod des Erblassers ist für berechtigte Dritte demnach unklar, wer dessen Rechtsnach-folge als legitimer Erbe angetreten hat. Der Erbschein soll diese Unsicherheit im Rechtsver-kehr beseitigen.

 

Was ist der Erbschein und wer braucht ihn ?

 

Der Erbschein ist ein amtliches Zeugnis in Form einer öffentlichen Urkunde, das für den Rechtsverkehr feststellt, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen dieser unterliegt. Der Erbschein stellt dabei auf das Erbrecht zur Zeit des Erbfalls ab, so dass spätere Veränderungen grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.

Erbe wird man also auch ohne Erbschein - und zwar aufgrund gesetzlicher Erbfolge oder Testament. Einen Erbschein benötigt man also dann, wenn man sein Erbrecht gegenüber anderen beweisen muss. Will man also nach dem Erbfall als Erbe z.B. gegenüber Mietern, Vermietern, Banken, Behörden, Geschäftspartnern etc. auftreten, ist regelmäßig ein Erbschein erforderlich.

Der Nachweis des Erbrechts ist nicht zwingend durch Erbschein zu erbringen, wenn nicht durch Gesetz oder Vertrag etwas anderes festgelegt wurde. Gesetzliche Regelungen gibt es insbesondere im Hinblick auf Grundstücke oder bei Gesellschafterwechsel mit Änderung des Handelsregisters. Vertragliche Regelungen finden sich insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) mit Banken und Versicherungen.

Ausnahmsweise kann für bestimmte Zwecke das Erbrecht auch anders nachgewiesen werden:

Grundbuchberichtigung: gehört eine Immobilie zur Erbschaft, ist das Grundbuch zu berichtigen. Beruht eine testamentarische Erbfolge auf einem notariellen Testament oder Erbvertrag, genügt gegenüber dem Grundbuchamt die Vorlage der letztwilligen Verfügung gemeinsam mit der Eröffnungsniederschrift des Nachlassgerichts.

Gesellschafterwechsel: ändert sich der Inhaber eines Personengesellschaftsanteils (KG, OHG) durch Erbfall, kann dies ebenfalls auch durch notarielles Testament (bzw. Erbvertrag) und Eröffnungsniederschrift dargelegt werden.

Bankkonten, Depots, Versicherungen: diese Gesellschaften haben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen oftmals geregelt, dass ein Erbschein vorgelegt werden muss. Der Bundesgerichtshof hat allerdings das pauschale Bestehen auf einen Erbschein in den AGB´s als unzulässig erachtet. Seitdem kann ein Erbschein grundsätzlich nicht mehr verlangt werden, wenn nicht im Einzelfall individuelle Zweifel an der Erbberechtigung bestehen. In der Regel ist damit ein notarielles Testament in Verbindung mit dem Eröffnungsbeschluss nunmehr ausreichend.

 

Alternativen zum Erbschein

Grundsätzlich ist jedoch stets zu prüfen, ob nicht eine noch bestehende Vollmacht des Erblassers, ein Testamentsvollstreckerzeugnis oder ein eröffnetes notarielles Testament einen Erbschein und die damit verbundenen Kosten entbehrlich macht. Dazu sollten Sie sich als Erbe frühzeitig einen Überblick verschaffen, mit welchen Nachlasswerten, Behörden und Personen Sie es zu tun haben.

 

Antrag, Form und Frist

Der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins kann entweder beim Nachlassgericht protokolliert oder beim Notar beurkundet werden. Bei nicht eindeutiger Erbfolge, einem eventuell wertvollen Nachlass bzw. einem drohenden Erbstreit sollte bereits beim Erbscheinsantrag die Beratung eines Rechtsanwalts in Anspruch genommen werden. Anders als der zur Neutralität verpflichtete Notar ist der Rechtsanwalt nur den Interessen seiner Mandanten verpflichtet.

Eine Frist für die Antragsstellung gibt es nicht. Vor dem Hintergrund, dass ein fehlender Erbschein die Handlungsfähigkeit einschränken und dass ein Erbscheinverfahren unter Umständen sehr lange Zeit in Anspruch nehmen kann, sollte ein Antrag, soweit zweckmäßig, aber zeitnah gestellt werden.

Antragsberechtigt sind insbesondere Erben bzw. Miterben (in einer Erbengemeinschaft), gesetzliche Vertreter minderjähriger Erben, aber auch Gläubiger zum Zwecke der Durchführung der Zwangsvollstreckung.

Zuständig ist das jeweilige Nachlassgericht (Abteilung beim Amtsgericht) am letzten Wohnort des Erblassers.

Bei einer testamentarischen Erbfolge bedarf es für die Beantragung eines Erbscheins vorab der Testamentseröffnung.

 

Notwendige Unterlagen für die Beantragung eines Erbscheins

Je nach Art des Antrags und Grundlage der Erbfolge muss der Antragsteller die Tatsachen, auf denen der Erbscheinsantrag beruht, durch öffentliche Urkunden (Sterbeurkunde, Perso-nenstandsurkunden, Familienstammbuch etc.) und/oder eine eidesstattliche Versicherung nachweisen.

Für Testamente besteht übrigens eine Ablieferungspflicht. Wer also ein Dokument in Besitz hat, das ein Testament sein könnte, muss dieses beim Nachlassgericht abliefern. Die Nichtbefolgung dieser zivilrechtlichen Pflicht kann auch strafrechtliche Konsequenzen haben.

Ist keine letztwillige Verfügung (Testament oder Erbvertrag) vorhanden, gilt die gesetzliche Erbfolge. Insoweit genügt die Vorlage von Geburtsurkunden der Kinder oder wenn der Erblasser verheiratet war, die Heiratsurkunde.

 

Arten von Erbscheinen

Es gibt zahlreiche Varianten von Erbscheinen, die auf bestimmte Konstellationen in Erbfällen passen, so dass vor Antragstellung zu entscheiden ist, welcher Erbschein am zweckmäßig-sten und kostengünstigsten ist.

Ist beispielsweise nur ein Erbe bestimmt, genügt ein Erbschein als Alleinerbe. Sind mehrere Erben vorhanden, können diese einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragen. Der Antrag kann allerdings auch von jedem einzelnen Miterben gestellt werden - der Erbschein weist dann die Erbteile der einzelnen Miterben aus.

 

Mit einem Erbschein ist ein Ausschlagen des Erbes nicht mehr möglich

Jeder Erbe hat die Möglichkeit, das Erbe innerhalb von sechs Wochen auszuschlagen. Die Frist beginnt, sobald der Erbe von dem Todesfall und seiner Erbenstellung erfahren hat.

Nimmt der Erbe jedoch das Erbe an, ist eine Ausschlagung grundsätzlich nicht mehr mög-lich, auch wenn die Frist dafür noch nicht abgelaufen sein sollte. Eine solche Annahme des Erbes stellt auch der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins dar. Folglich kann der Erbe, sobald er einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt hat, die Erbschaft nicht mehr ausschlagen !

Allerdings kann der Erbe die Annahme anfechten, wenn er sich bei der Annahme in einem Irrtum befunden hat, der zur Anfechtung berechtigt. So kann z.B. die Überschuldung des Nachlasses einen anfechtungsberechtigenden Irrtum darstellen.

Die Anfechtung ist nach Kenntnis des Irrtums jedoch innerhalb von sechs Wochen gegen-über dem Nachlassgericht zu erklären. Spätestens 30 Jahre nach Annahme der Erbschaft ist eine Anfechtung nicht mehr möglich.

 

Verjährungsfristen beachten

 

Auch sollte jeder Erbe die Verjährungsfrist im Blick behalten. So unterliegen erbrechtliche Ansprüche grundsätzlich der dreijährigen Regelverjährung.

Ansprüche gegen den so genannten Erbschaftsbesitzer verjähren allerdings erst in 30 Jahren. Als Erbschaftsbesitzer gilt, wer Gegenstände aus dem Nachlass als vermeintlicher Erbe besitzt, also glaubt, als rechtmäßiger Erbe den Nachlassgegenstand besitzen zu dürfen.

 

Was kostet ein Erbschein ?

Die Ausstellung eines Erbscheins durch das Nachlassgericht verursacht Kosten. Die Höhe der Gebühren bestimmt sich nach dem Gesetz über die Kosten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (GNotKG) und hängt vom Nachlasswert ab.

In der Regel fallen zwei volle Gebühren an:

  • - eine für die Beantragung des Erbscheins und

  • - eine für die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung.

Bei der Ermittlung der Höhe des Nachlasswertes werden Schulden mit dem Guthaben verrechnet. In der Regel sollte hierbei ein Nachlassverzeichnis aufgestellt werden, ansonsten genügen die Angaben in der eidesstattlichen Versicherung.

Wer einen Erbschein bei einem Notar beantragt, muss zudem noch die gesetzliche Mehr-wertsteuer bezahlen.

 

Entscheidung und Rechtsmittel im Erbscheinsverfahren

Das Nachlassgericht entscheidet durch Beschluss über den Erbscheinsantrag.

Ist man mit der Entscheidung des Nachlassgerichts nicht einverstanden, gibt es die Möglich-keit, bei einem Erbscheinsverfahren in die zweite Instanz zu gehen. Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Nachlassrichters oder des Rechtspflegers ist die so genannte Beschwerde. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt einen Monat nach Zugang der Entscheidung.

Wurde bereits der Erbschein zu Unrecht einem Dritten erteilt, kann der mögliche Erbe lediglich beantragen, dass das Nachlassgericht den Erbschein einzieht.

Grundsätzlich besteht aber auch stets die Möglichkeit, einen Erbstreit nicht beim Nachlass-gericht, sondern vor einem ordentlichen Zivilgericht entscheiden zu lassen. So ist beispielsweise eine Erbfeststellungsklage vor dem Landgericht möglich, wenn streitig ist, wer Erbe geworden ist.

 

Wie aus diesem kurzen Überblick ersichtlich, bestehen zahlreiche Probleme, eine vorherige fachkundige Beratung ist sicher sinnvoll. Wir stehen Ihnen hierfür selbstverständlich zur Verfügung (Näheres auch unter https://www.erbschaft-regeln.de).

 

Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Bank- und Kapitalmarktrecht

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03.09.2020
Patrick Zagni
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